Verfahren in der Partizipation

Von Jascha Rohr (03/2018)

1971 hat Sherry R. Arnstein einen grundlegenden und bis heute gültigen Text zur Partizipation geschrieben. A ladder of citizen Partizipation erläutert unterschiedliche Grade und Qualitäten der Teilhabe und zeigt damit auch deutlich, dass viele Partizipationsprozesse, mit denen wir es heute zu tun haben, nur eine geringe Teilhabequalität erreichen.

Im Institut für Partizipatives Gestalten verwenden wir eine vereinfachte dreistufige Leiter, um die unterschiedlichen Ausprägungen von Partizipation zu verdeutlichen. Wir sprechen von informativen, deliberativen und kollaborativen Verfahren. Dabei ist zu beachten, dass die jeweils höheren Stufen die jeweils unteren Stufen mit einbeziehen und diesen nicht entgegen stehen.

IDK 970x970Informative Verfahren sind Verfahren, in denen Beteiligung dadurch stattfindet, dass über Sachverhalte informiert wird. In einigen Fällen gibt es dann die Möglichkeit, auf diese Informationen zu reagieren (mit Abstimmungen, Eingaben, Antworten). Auch wenn die Beteiligten in diesen Verfahren meist keine reale Macht erhalten (manchmal auch rechtlich nicht erhalten können), ist zumindest ein transparenter Informationsfluss gewährleistet.

Deliberative Verfahren setzen auf die Kommunikation unter allen Beteiligten: Diskussionen, Redeveranstaltungen, Meinungsbildung und öffentliche Diskurse prägen diese Formen von Beteiligung. Auf der Ebene der Verfahren und Methoden kennen wir den Runden Tisch, das World Café, Bürgerparlamente, Town Hall Meetings und vieles andere.

Zu den deliberativen Verfahren gehören selbstverständlich auch die transparenten Informationsflüsse der informativen Verfahren. Bei den deliberativen Verfahren kommt nun aber der kommunikative Austausch, das Argument, gegebenenfalls auch Abstimmungen hinzu, sodass die Beteiligten über etwas mehr Macht verfügen als in den rein informativen Verfahren. Fast alle derzeitig stattfindenden Beteiligungsverfahren sind informativ oder deliberativ konzipiert.

Kollaborative Verfahren addieren zu den beiden beschriebenen Aspekten einen dritten und für mich entscheidenden Aspekt. Dabei nehme ich den Begriff „Arbeit“ in „Zusammenarbeit“ besonders ernst. Ich verwende den Begriff der Kollaboration nicht schwammig als irgendeine Form des gemeinsamen Austauschs, der dann auch deliberative Prozesse beschreiben könnte, sondern als prozedurales, methodisches und gestaltungsorientiertes Erarbeiten gemeinsamer Lösungen (z.B. Konzepte, Gesetze, Projekte, Produkte, Orte…), bei dem die Beteiligten über den Austausch von Informationen und über Diskurse, Meinungsäußerung und gesprächsorientierter Auseinandersetzung hinaus gehen.

Kollaboration heißt hier, dass gemeinsame Recherchen und Analysen, dass Begehungen und Interviews durchgeführt werden, intellektuelle und künstlerische Auseinandersetzungen statt finden können, geplant wird, Entwürfe erstellt, Modelle entwickelt und Prototypen gebaut werden und vieles mehr. Es geht also um konkrete Prozesse der Zusammenarbeit, in denen nicht nur die Meinungen und Gedanken, sondern auch die Fähigkeiten und die vielfältigen Potentiale aller Beteiligten zueinander finden, in einen produktiven Entwicklungsprozess einfließen und zu konkreten und realisierbaren Ergebnissen führen. Auf diese Weise findet die höchstmögliche Identifikation der Beteiligten mit den Ergebnissen statt und Macht manifestiert sich als Gestaltungsmacht am konkreten Ergebnis.

Für die Kollaborative Demokratie heißt das, dass ich ein spezifisches und kein allgemeines Verständnis von Kollaboration anlege: Kollaborative Demokratie ist die Demokratie, in der die Menschen die Möglichkeit zur aktiven Mitgestaltung durch ihre konkreten Potentiale erhalten. Das geht über das Erhalten von Informationen oder auch die Teilnahme an Meinungsbildung weit hinaus und definiert den politischen Prozess grundsätzlich neu.

Referenz: Arnstein, Sherry. R. (1971): A ladder of citizen partizipation. Journal of the Royal Town Planning Institute.